Resonanz und Anerkennung

Caroline Krüger: Über Resonanz und Anerkennung als zwei Formen öffentlichen Sichtbar-Werdens. Präsentation einer unfertigen Idee

An der Denkumenta habe ich ausprobiert, wie es ist, einen unfertigen Gedanken zu präsentieren. Von früher kenne ich den Spruch (dessen Quelle mir jedoch nicht bekannt ist): „Zeig nie einem Idioten eine unfertige Arbeit“. Es waren keine Idiotinnen und Idioten, denen ich meine unfertigen Gedanken präsentiert habe, und es war eine interessante Erfahrung.

Hier kommt jetzt also zum Nachlesen die unfertige Idee. Zum Schluss möchte ich meinen kleinen Aufruf, den ich im letzten Plenum mündlich gemacht hatte, wiederholen. Nach dem Gespräch ist mir nämlich noch eine weitere Idee gekommen…

Die unfertige Idee (ungefähr so, wie ich sie präsentiert habe)

Im ABC des guten Lebens hatten wir in der Einleitung geschrieben, dass es uns um die lebensförderliche Gestaltung von Sprache und damit die Gestaltung von Welt geht (S 6). Und auch um eine Weiterentwicklung der Gedanken, denn das ABC ist ja kein Ende, sondern ein Anfang….

Daher wurde im Programm auch jeder Veranstaltung ein Wort zugeordnet, das noch nicht im ABC enthalten ist, aber vielleicht hineingehörte….für diese Veranstaltung war es „Anerkennen“, unter anderem, weil ich in den Ferien war, ich hätte wahrscheinlich „Resonanz“ genommen.

Es hat einen Grund, dass „Anerkennen“ gewählt wurde – das Wort ist einfach viel präsenter als das Wort Resonanz. Wir benutzen es vermutlich alle, und denken nicht jedes Mal darüber nach, was es genau bedeutet.

Interessant finde ich, dass ich beim Wiederlesen des ABC gemerkt habe, dass wir darin das Thema umkreisen, aber nicht direkt ansprechen. Es gibt Formulierungen wie bei der Autorität („Wenn ich mir zum Beispiel unsicher bin, ob ein Text, den ich geschrieben habe, gut ist, orientiere ich mich an dem Urteil dieser Frau und bin dadurch weniger angewiesen auf herkömmliche Anerkennung (zum Beispiel von einer universitären Benotung oder davon, ob ein etabliertes Medium meinen Text abdruckt).“) oder bei „Daseinskompetenz“: die Bedürfnisse kleiner Kinder werden „gratis, also ohne öffentliche Sichtbarkeit und Anerkennung“ befriedigt“, meist von Frauen…

Wir haben das Wort benutzt, ein Unbehagen verspürt – darauf deuten die komplizierten Formulierungen hin – aber sind dem Unbehagen noch nicht nachgegangen.

Vielleicht lohnt es sich aber. Ich habe seither in vielen Gesprächen gemerkt, dass es interessant ist, über dieses Wort und die Bedeutung, die wir ihm geben, nachzudenken. Und auch darüber, ob wir vielleicht noch etwas anderes erfinden können, das uns hilft, die Verschiedenartigkeit zu erkennen, die Verschiedenartigkeit von Situationen, für die wir das Wort Anerkennung benutzen.

Heute dachte ich mir, dass ich zunächst gern kurz diskutieren möchte, woran wir denken, wenn wir „Anerkennen“ sagen – und auch, wenn wir Resonanz sagen. Ich bin gespannt, was es für euch bedeutet, und werde auch erzählen, was der Duden als Definitionen angibt.

Wenn wir uns darüber ausgetauscht haben, möchte ich gern meine Idee erläutern – Anerkennung und Resonanz als zwei Begriffe für öffentliches Sichtbar-Werden, die nicht dasselbe bezeichnen, aber auch nicht etwas völlig Verschiedenes. Und dann interessiert mich, was ihr damit anfangen könnt, ob ihr etwas damit anfangen könnt.

Wie in der Ankündigung geschrieben, geht es mir nicht darum, eine Entweder-Oder-Diskussion anzuregen und gute Resonanz der bösen Anerkennung gegenüberzustellen. Sondern ich finde es spannend, zu schauen, ob wir mit dieser Unterscheidung vielleicht klarer erkennen können, was wir uns wünschen, wenn wir sagen, wir wünschen uns mehr Anerkennung (zum Beispiel). Und auch, ob wir durch diese Differenzierung vielleicht mehr Handlungsmöglichkeiten erhalten, mehr aktives Tätigsein ermöglichen.

Es interessiert mich auch, zu erfahren, ob es Situationen gibt, in denen ihr euch Anerkennung wünscht. Oder auch solche, in denen Anerkennung sich falsch angefühlt hat. Also, gern Beispiele sammeln, damit wir anhand der Beispiele schauen können, ob die Unterscheidung Resonanz und Anerkennung nützlich ist….

Schauen wir, ob unsere gesammelten Vorstellungen mit denen des Duden etwas gemeinsam haben:

Anerkennen bedeutet laut Duden: gutheißen, billigen, akzeptieren, (einer Sache) zustimmen, würdigen, loben, respektieren, achten (als jemanden, etwas) öffentlich bestätigen, für gültig erklären, legitimieren.

Anerkennung bedeutet laut Duden: Würdigung, Lob, Achtung, Respektierung, [offizielle] Bestätigung, Erklärung der Gültigkeit, der Rechtmäßigkeit, Billigung, Zustimmung.

Resonanz bedeutet laut Duden: (Physik, Musik) das Mitschwingen, -tönen eines Körpers in der Schwingung eines anderen Körpers, (bildungssprachlich) Gesamtheit der Diskussionen, Äußerungen, Reaktionen, die durch etwas hervorgerufen worden sind und sich darauf beziehen; Widerhall, Zustimmung.

Bemerkenswert finde ich auch: Bei Resonanz wird Anerkennung als Synonym angegeben, umgekehrt nicht.

Oft wird Anerkennung mit angenehmen Dingen in Verbindung gebracht, mit Lob zum Beispiel. Trotzdem gibt es ja ein Gefühl, das anzeigt, dass Anerkennung irgendwie problematisch sein könnte. Und es gibt auch Denkerinnen wie Andrea Günter, die sagen „Anerkennung ist Macht“ (Günter 2003, Weltliebe, S 266) und weiter: „Wenn Frauen ihre Anerkennung fordern, machen sie sich davon abhängig, anerkannt zu werden und stärken die Macht derjenigen, von denen sie anerkannt werden wollen.“

Ein Schritt zurück: Ich möchte versuchen, zuerst auf eine Bedeutung von Anerkennen kurz einzugehen, die meiner Meinung nach selten als erstes gedacht wird, ohne die aber Kommunikation schwierig ist.

Nicht eingehen möchte ich auf die Geschichte des Begriffs in der Philosophie. Andrea Günter setzt sich im erwähnten Buch beispielsweise mit Hegel und Kant auseinander. Mich interessieren hier aber nicht die Positionen der Philosophen, sondern das, was davon bei uns im Alltag hängen geblieben ist und unser Umgang damit (und wie wir diesen verändern können).

Anerkennen

Ich denke, es gibt eine notwendige Form des Anerkennens, hinter die wir nicht zurückgehen können. Auf diesen Gedanken brachte mich die Aussage eines ehemaligen Studienkollegen, der den Ausdruck der „juristischen Sekunde“ auf die Hermeneutik übertrug. Bei der Hermeneutik in diesem Sinn geht es um das Verstehen und auch das Auslegen von Texten. Er erläuterte die juristische Sekunde so: Wenn ich eine Zeitung kaufe und halte sie bereits in der Hand, bevor der Verkäufer das Geld hat, so ist die Zeitung bereits in meinem Besitz ohne schon mein Eigentum zu sein. Diese Sekunde, bevor der Verkäufer das Geld hat, wäre in diesem Fall die juristische Sekunde.

Allgemein wird mit der logischen Sekunde, auch logischen Minute oder rechtlichen Sekunde in der Rechtswissenschaft ein möglichst kurzer Zeitraum zwischen der Gültigkeit verschiedener Rechte bezeichnet (also im Beispiel zwischen Besitz und Eigentum).

Übertragen auf das Anerkennen können wir eine Art hermeneutische Sekunde definieren: Bevor wir etwas, einen Text oder auch eine Person, beurteilen und bewerten können, müssen wir es oder sie diese hermeneutische Sekunde lang anerkennen. Eine Art erstes „Ja-Sagen“, ein Anerkennen-als-etwas, das noch wertfrei ist, ist notwendig für die spätere Bewertung.

Es handelt sich sozusagen auch um ein anderes „Recht“, eine andere Diskursform – diejenige des Verstehens, nicht des Bewertens, die danach folgt. In diesem Sinne ist „Anerkennen“ nicht etwas einziges, sondern es sind zwei Vorgänge: wahrnehmen und bewerten.

Diese Wortbedeutung ist meiner Ansicht nach nicht in sich problematisch, aber ich finde es wichtig, sie von der anderen Wortbedeutung zu trennen, der, nach welcher Anerkennung mit Lob übereinstimmt und das Erhalten von Anerkennung mit Erfolg.

Anerkennung als Lob, als Auszeichnung, als „Orden“

Der Anlass, über Anerkennung und den Wunsch nach Anerkennung nachzudenken, war für mich ein bestimmtes Erlebnis. Vor diesem Erlebnis hatte ich, wie wohl alle, Erfahrungen mit dem Thema Anerkennung gemacht, ich wollte Anerkennung beispielsweise durch Leistungen erhalten. Auch die Erfahrung des Scheiterns, des Nicht-Erhaltens der Anerkennung, habe ich gemacht. Und auch die Erfahrung, dass sogar die erhaltene Anerkennung keine Freude macht (Lob für schulische Erfolge zum Beispiel statt für die damit verbundene Anstrengung, „falsches Lob“).

Aber nachgedacht hatte ich über den Begriff nicht, ich hatte die Struktur einfach hingenommen, als ob sie gegeben und unveränderlich sei.

Das Erlebnis: Im Jahr 2011 hat der Zürcher Labyrinthplatz sein zwanzigstes Jubiläum gefeiert (es gibt auch hier in St. Arbogast ein temporäres Labyrinth, das benutzt werden darf und möchte…vielleicht habt ihr es schon gesehen und/oder benutzt). Ich wurde gefragt, ob ich einen Beitrag zum Labyrinthbuch schreiben würde, dessen Konzept noch nicht klar war, noch gemeinsam entwickelt werden sollte. Nachdem ich zugesagt hatte, habe ich angefangen, viel vorhandenes Material zu lesen, um etwas über die Zeit zu erfahren, in der ich nicht dabei gewesen war, nicht einmal in der Schweiz gelebt hatte. Und da fand ich, dass sich die Labyrinthfrauen mehrmals um den Gleichstellungspreis der Stadt Zürich beworben hatten – und dass sie enttäuscht waren, ihn nicht erhalten zu haben. Gleichzeitig fand ich aber auch viele Briefe und Karten, Rückmeldungen von ganz verschiedenen Menschen, die ausdrückten, wie viel ihnen das Labyrinth bedeutete.

Ich fand also, dass zwar die offizielle Anerkennung im Sinn eines Preises fehlte, dass aber sehr viel Lob von den Menschen kam, die das Labyrinth benutzten. Und ich fragte mich, weshalb die Anerkennung wichtig erscheint, wenn es doch diese vielen positiven Rückmeldungen gibt. Denn wäre die Anerkennung nicht von Bedeutung, hätte es ja keine Enttäuschung über das Nicht-Erhalten des Preises gegeben. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass es da Unterschiede gibt, dass Anerkennung von offizieller Stelle und Anerkennung von einzelnen Menschen nicht das gleiche bedeuten, eine andere Struktur haben.

Versuchsweise nannte ich und nenne ich die nicht-institutionelle, nicht hierarchische Anerkennung, die von einzelnen Menschen kommt, Resonanz. Durch diese Differenzierung in der Benennung habe ich einen Anfang gesetzt, von dem aus wir vielleicht besser verstehen können, welche Wünsche hinter dem Wunsch nach Anerkennung jeweils stehen.

Ich fragte auch die anderen Labyrinthfrauen, weshalb die öffentliche Anerkennung wichtig sei und es wurde klar, dass es um die öffentliche Sichtbarkeit, das Sichtbarwerden ging. Die Enttäuschung über das Nicht-Erhalten des Preises hatte mit der Struktur von Anerkennung zu tun:

Indem wir Anerkennung erstreben, geben wir der Instanz, die sie geben soll, Macht. Wir liefern uns aus, um uns beurteilen zu lassen, sind selbst nicht mehr aktiv. Das Subjekt in der von Anerkennung geprägten Beziehung ist der/die andere und nicht wir selbst.

Hier wird verständlich, weshalb Andrea Günter sagen kann, Anerkennung sei Macht. Diese Form von Anerkennung, bei der wir uns der anerkennenden Instanz zur Beurteilung sozusagen freiwillig vorlegen, ist hierarchisch, keine Begegnung unter Gleichgestellten. Anerkennung wird so zum Urteil, das über uns gefällt wird; wir werden zu Objekten.

Wenn also die Jury dem Labyrinth den Gleichstellungspreis nicht verleiht, haben wir als Labyrinthfrauen uns diesem Urteil sozusagen ausgeliefert, und es wurde entschieden: Das Labyrinth verdient ihn nicht. Auch wenn die Ursachen für das Nicht-Verleihen des Preises eventuell anderswo liegen, zum Beispiel darin, dass das Labyrinth als Projekt nicht so einfach einzuordnen ist; es ist eben nicht „nur“ ein Gleichstellungsprojekt.

Weshalb ist öffentliches Sichtbar-Werden wichtig?

Eine meiner Thesen ist, dass Anerkennung für öffentliches Sichtbar-Werden steht, und Resonanz eben auch. Und dass öffentliches Sichtbar-Werden ein Bedürfnis vieler ist. (Auch der kurze Ausschnitt, den ich bereits erwähnt habe, aus dem Text zu „Daseinskompetenz“, zeigt es – öffentliche Sichtbarkeit als Gegensatz zu „Privatsphäre“ – ist etwas Erwünschtes…, S 42)

Weshalb? Ich verwende hier einen sehr breiten Begriff von Öffentlichkeit, wie ihn auch Hannah Arendt benutzt. In der „Vita activa“ (1958) beschreibt sie Öffentlichkeit als die Welt selbst, alles Gemeinsame, das wir Menschen teilen.

Die Bedeutung von Öffentlichkeit liegt darin, dass „alles, was vor der Allgemeinheit erscheint, für jedermann sichtbar und hörbar ist, wodurch ihm die grösstmögliche Öffentlichkeit zukommt. Dass etwas erscheint und von anderen genau wie von uns selbst als solches wahrgenommen werden kann, bedeutet innerhalb der Menschenwelt, dass ihm Wirklichkeit zukommt.“ (Hannah Arendt, Vita activa, Piper 1981, S 62)

Für Arendt muss dieses Erscheinen nicht unbedingt eine Kunstform sein, es braucht also kein öffentliches Werk, sondern es genügt, zum Beispiel eine Geschichte zu erzählen, die gehört wird, um den Effekt zu haben, den sie beschreibt: „Die Gegenwart anderer, die sehen, was wir sehen, und hören, was wir hören, versichert uns der Realität der Welt und unser selbst (…, ebd. S. 63)“

Öffentlichkeit ist wichtig, weil sie uns hilft, wirk-lich zu werden. Wirklichkeit ist auch ein Wort, das oft verwendet wird, meist synonym mit Realität (wie es auch Hannah Arendt macht), auch manchmal mit Welt. Der Wunsch nach Sichtbarkeit und Wirklichkeit hat wohl damit zu tun, Teil der Welt sein zu wollen, mit Teilhabe und Zugehörigkeit.

Vielleicht hat er aber auch mit dem Wirken-Wollen zu tun, das auch in dem Wort Wirklichkeit steckt. Wir möchten, dass unser Tätigsein Wirkung hat, auch in diesem Sinn wirk-lich wird.

Öffentliche Sichtbarkeit im Sinn von Teilhabe und wirken können, ist vermutlich wichtig für alle.

Anerkennung und Resonanz sind, denke ich, zwei Möglichkeiten, diese Art von öffentlicher Sichtbarkeit zu erreichen (vielleicht nicht die zwei einzigen?)

Weiterdenken 1

In der Diskussion wurden einige Beispiele erzählt, auch später noch. In einigen Fällen war die Unterscheidung von Resonanz und Anerkennung nützlich, in anderen weniger.

Es wurden Fragen aufgebracht wie: Wie gehe ich damit um, wenn ich selbst in einer Jury sitze und Preise vergeben muss oder darf? Wie gehen wir selbst mit Macht um? Wann reicht Resonanz und wann braucht es Anerkennung (also: wann muss eine bereits bestehende Institution öffentlich Anerkennung geben?)

Noch ein Punkt: Autorität und Macht

Während Anerkennung mit Machtstrukturen zu tun hat (ich verleihe demjenigen Macht, der mich anerkennen soll), können wir Resonanz vielleicht mit Autorität zusammenbringen, Autorität, wie wir sie im ABC des guten Lebens verstehen.

„Autorität entsteht immer dann, wenn jemand die Worte oder Anregungen einer anderen Person bedeutsam findet und ihnen Wert zumisst. Ob jemand für mich Autorität hat, erkenne ich daran, dass ihr oder sein Urteil mir wichtig ist, auch wenn ich damit nicht übereinstimme. Autorität kann nicht beansprucht oder eingefordert werden, und sie lässt sich auch nicht in äußerlichen Symbolen fixieren, sondern muss sich in jeder Situation neu bewähren. Dadurch unterscheidet sich Autorität von Macht (und auch von dem, was im üblichen Sprachgebrauch mit “autoritär” gemeint ist).“

Autorität entsteht durch Beziehung und bezieht das Begehren mit ein. Wenn ich Wert auf das Urteil einer anderen Person lege, wenn ich wissen möchte, was sie denkt, dann kann ich um Resonanz bitten.

Ich denke, es ist nicht zufällig, dass Anerkennung nur als Lob, in diesem Sinne als etwas Positives denkbar ist. (Die Form des Anerkennens, die wertfrei ist, hatte ich ja bereits erwähnt, es ist jedoch nicht die Form, an die wir meistens denken).

Resonanz hingegen ist wertfrei, da sie auf den Inhalt zielt. Resonanz lässt den Inhalt einer meiner Äusserungen wider-klingen…

Es ist auch möglich, dass Resonanz und Anerkennung zusammenfallen, denke ich. Zum Beispiel: wenn eine Lyrikerin einer Jury Autorität verleiht, weil sie die Personen schätzt, und wenn diese Jury ihr dann einen Preis verleiht – dann fallen Anerkennung und Resonanz zusammen.

Vielleicht könnte man Anerkennung und Resonanz auch als zwei Perspektiven sehen? (auch im Zusammenhang mit Autorität und Macht).

Anerkennung bedeutet eine Aussenperspektive, Resonanz ein Von-sich-Ausgehen. Während ich die Anerkennung erhalte, also passiv bleibe, kann ich Resonanz erbitten. Ich kann auf Personen zugehen und ihre Resonanz erfragen. Bei der Anerkennung ist dies nur begrenzt möglich – um Preise kann ich mich bewerben, jedoch entsteht eine hierarchische Beziehung, ich trete in das „Spiel der Macht“ ein, wie Andrea Günter es nennen würde. Resonanz ist ein anderes Spiel, weil sie auf Autoritätsbeziehungen beruht, nicht auf Machtbeziehungen.

Trotzdem: Was tun wir, wenn wir einen Preis möchten? Und ihn auf dem Anerkennungsweg einfach nicht erhalten….

Beispiel Resonanzpreis: Als Labyrinthfrauen haben wir eine Möglichkeit gefunden: Wir haben den Resonanzpreis verliehen. Indem wir uns darüber klar wurden, was unser Ziel war – Öffentlichkeit und Wirklichkeit, konnten wir besser mit dem daraus entstehenden Wunsch nach Anerkennung umgehen. Wir konnten selbst entscheiden, welcher Instanz wir die Autorität zugestehen wollen, uns einen Preis zu verleihen. Wir konnten die Möglichkeit erwägen, eventuell auf einen Preis zu verzichten oder uns selbst einen Preis verleihen – was wir gemacht haben.

Indem wir uns des Wunsches nach Öffentlichkeit bewusst wurden und einen anderen Begriff als Anerkennung fanden, konnten wir aktiv werden und mussten nicht darauf warten, etwas zu erhalten. Das Labyrinth bietet Raum, Neues auszuprobieren, und so nutzten wir die Gelegenheit des Jubiläumsfests, den „Resonanzpreis“ zu verleihen, einen Preis, der unseren Bedürfnissen gerecht wurde.

Für jede Gruppe, der wir danken wollten (zum Beispiel den Pionierinnen des Labyrinths, den Gärtnerinnen, den Helferinnen…) steckten wir eine kleine Tafel in den Labyrinthgarten, mit Raum, um konkrete Namen darunter zu schreiben. Zita Küng las jeweils vor, wer Resonanz erhalten sollte und das Publikum re-sonnierte, indem alle mit der Hand die Gebärde für Applaus aus der Gehörlosensprache machten.

Der Resonanzpreis war eine Art für uns als Labyrinthfrauen, mit dem Wunsch nach Öffentlichkeit und Wirklichkeit, der hinter dem Wunsch nach Anerkennung steckte, umzugehen.

Weiterdenken 2

In der Diskussion wurde deutlich, dass Anerkennung und Resonanz als Begriffe nicht ausreichen, um alle Situationen zu beschreiben, die uns einfielen.

Schon bei der Differenzierung zwischen der grundsätzlichen Anerkennung (im Sinn der hermeneutischen Sekunde, Anerkennung 1) und der Anerkennung als Lob (Anerkennung 2) machte es Schwierigkeiten, dass wir dasselbe Wort verwenden.

Durch das Referat von Anne-Claire Mulder über Würdeträgerinnen (das später hier auf denkumenta.de auch noch veröffentlicht wird) kam mir der Gedanke, dass „Anerkennung 1“ eventuell in dem Konzept von „sieben Milliarden Würdeträgerinnen“ aufgeht – jede und jeden grundsätzlich als WürdeträgerIn anzusehen, bedeutet, ihr oder ihm „Anerkennung 1“ zuteil werden zu lassen.

Einige Beispiele, die sehr konkret waren, zeigten, dass „Anerkennung 2“ ebenfalls nützlich sein kann, vielleicht auch notwendig? Dass sie ein Mittel sein kann, etwas zu bewegen, vor allem, wenn wir nicht Objekte sind, sondern Subjekte. Auch Anerkennung im privaten Bereich war vorstellbar, die nicht durch Resonanz ersetzbar wäre (von der Familie zum Beispiel).

Daher kam mir folgende Idee: Es ist ein Ansatz, durch neue Wörter und das Neubesetzen alter Wörter die Sprache und die Welt zu verändern. Ein weiterer Ansatz könnte auch in anderen Methoden bestehen. So ist es üblich, eine Theorie zu entwickeln und dann Beispiele zu finden, die dazu passen und die Theorie untermauern (eine Art „deduktive Methode“).

Wie wäre es aber mit dem umgekehrten Vorgehen („induktiv“)? Wenn wir ganz viele Beispiele, Geschichten sammeln die von Anerkennung handeln (1,2 und dem, was ich Resonanz genannt habe) und erst später versuchen, diese Beispiele zu ordnen, könnte dies vielleicht helfen, die Begriffe zu sortieren und eventuell auch passende neue zu finden.

Jedenfalls habe ich bemerkt, dass ich allein gar nicht genügend Beispiele finden kann, um eine Art „empirische Theorie der Anerkennung“ zu entwickeln. Daher möchte ich gern meinen Appell wiederholen: Bitte schickt mir doch Geschichten zum Thema: kurze und lange, persönliche und gelesene…Ich werde sie sammeln und versuchen, daraus eine weitere Idee zu entwickeln.

Ich freue mich, wenn wir so zusammen weiterdenken können und möchte mich auch noch einmal herzlich für die Diskussion(en) bedanken!

6 Kommentare Gib deinen ab

  1. Superspannender Text! Eine Menge Beobachtungen und Ideen. Wenn alle „unfertigen“ Idee so anregend wären 😉 – Da hab ich echt was verpasst auf der Denkumenta, hätte ich gerne live gehört und mitgedacht.
    Die Unterscheidung zwischen Anerkennung und Resonanz leuchtet mir ein, präzise beschrieben. Die Verbindungen zum Begriff der Öffentlichkeit auch, mit dem ich mich u.a. letztens beschäftigt habe im Blick auf Social Media.
    Ich habe erst mal nur eine Frage oder Anmerkung: Der Begriff der Macht erscheint nicht so genau definiert. Vielleicht setzt du da Definitionen von Andrea Günter o.a. voraus, die ich nicht kenne. Ich habe mich jedenfalls beim Lesen gefragt, wie ich „Macht“ jetzt hier füllen würde. „Macht“ über meine Gefühle, mein Denken, mein Verhalten? Es klingt etwas so, als sei Macht etwas (nur?) Negatives. Das glaube ich aber nicht, ohne Machtstrukturen ist eine differenzierte Gesellschaft kaum möglich. Oder?

  2. Interessant. Ich fragte vor Kurzem:
    Kommen wir nun in die sich ausgleichende Resonanzgesellschaft?
    In der daran sich entspinnenden Diskussion sind auch die Begriffe der Kohärenz, Konsonaz und DIssonanz gefallen …
    Viele Grüße
    Martin Bartonitz

  3. Caroline sagt:

    Oh, mein erster Text wurde gelöscht ohne veröffentlicht zu werden, also noch ein Versuch: Vielen Dank für die Resonanz:-)! und die Anregungen. Ich habe Resonanz nicht wertend verwendet (wie auch in den Beiträgen zum Thema der Resonanzgesellschaft gefragt wurde), daher sind Dissonanz und Konsonanz auch interessante zusätzliche Begriffe, finde ich.
    Zur Macht: Im ABC haben wir Autorität beschrieben in Abgrenzung zur Macht: Macht ist fixiert (in Titeln, Ämtern, Funktionen), Autorität wird in jeder Situation neu „hergestellt“, ist ein Beziehungswort. Andrea Günter bezieht sich auf Hegel (die Problematik von Herr un Knecht), worauf ich aber nicht eingehen wollte und konnte, weil das viel Zeit brauchen würde und eher eine Erläuterung als ein Selber-Denken gewesen wäre. Aber es ist richtig, dass auch der Begriff Macht nicht nur negativ besetzt ist, in der Diskussion kam dies auch vor. Für mich persönlich ist Macht kein positiver Begriff (aber das ist keine philosophische Begründung, natürlich:-)!). Ich freue mich über weitere Anregungen und Kommentare, Beispiele und Erzählungen – dann gehts hoffentlich weiter mit dem Denken!

  4. Ich hab nachgelesen: im ABC wird Autorität beschrieben in Abgrenzung zu Macht, aber Macht selbst nicht inhaltlich beschrieben.
    Ich hab gestern mal angefangen, Stichworte für mich zu sammeln. Meine Vermutung: Macht ist differenziert zu beschreiben je nach Sozialform (grob gesagt: Zweierbeziehung, Kleingruppe, Gesellschaft). Und die Verbindung zu Autorität ist hier immer mitzubedenken, gefällt mir gut. Könnte ja sein, dass viele Politiker_innen heute ein Autoritätsproblem haben – und die merkwürdige Beliebtheit von A. Merkel könnte sich so erklären. Auch wenn sie Autorität sicher nicht im Sinn des ABC ausübt, mann/frau traut ihr aber etwas zu und vertraut ihr, und damit kommt der Begriff des Vertrauens ins Spiel, der sowohl für Autorität im ABC-Sinn als auch für Macht im positiven Sinn unverzichtbar ist.
    Ich bleibe dran, werde auch den alten Hegel noch mal auskramen. 🙂

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